Info PostFascialTechnik (PFT)® - Faszienbehandlung

Ein innovatives Faszienkonzept

Abstract: Ein innovatives Faszienkonzept, von Ralf Welti



Bei Behandlungen mit der PostFascialTechnik (PFT)® kommt es im Laufe der Behandlung immer wieder zu einer funktionellen Beinlängenverkürzung. Aus dieser Beobachtung heraus hat sich in der PostFascialTechnik (PFT)® ein eigenes Faszienkonzept entwickelt, das hier vorgestellt wird.



Anmerkung: Die Einschübe können beim Lesen übersprungen werden.




Faszien


Faszien sind die „Verpackungen“ in unserem Körper, sie bestehen aus kollagenen Fasern, einem speziellen Eiweiß. Sie bilden fasrige, widerstandsfähige Gewebshäute, meist durchscheinend dünn und von weißlicher Farbe. Faszien umhüllen, trennen und verbinden zugleich jede einzelne Struktur im Körper, schaffen dadurch eine in sich geschlossene Einheit, ein dreidimensionales Spannungsnetzwerk durch unseren ganzen Körper hindurch.


Entscheidend ist in der PostFascialTechnik (PFT)®, dass die Faszien mit den Knochen eine funktionelle Einheit bilden. Dafür steht das Tensegrity-Modell.



Faszien


Abbildung: Faszien, durchscheinend dünn und von weißlicher Farbe

Einschub: Faszien. Faszie, vom lateinischen Substantiv fascia für „Band, Binde, Bündel, Verbund“. Im Englischen fascia und fascial.


Wie ist unser Körper aufgebaut? Aus faszialer Sicht, ganz einfach betrachtet, bestehen wir aus Zellen und extrazellulärer Matrix.


Die Zellen verrichten die eigentliche Arbeit im Körper, Muskelzellen ziehen sich zusammen, Nervenzellen leiten elektrische Signale weiter, Zellen einer Drüse produzieren chemische Stoffe und so weiter. Um die Zelle herum befindet sich die extrazelluläre Matrix, bestehend aus Grundsubstanz, das heißt vor allem aus Wasser mit gelösten Stoffen, und aus Fasern, die Strukturaufgaben übernehmen: den Faszien.


Wenn wir jetzt so eine Faser näher betrachten, dann wird es ziemlich schnell kompliziert. So eine Faser besteht vor allem aus kollagenem Eiweiß, einem bestimmten Eiweißtyp, wobei alleine beim Menschen ca. dreißig chemisch verschiedene Kollagene bekannt sind mit jeweils verschiedenen Eigenschaften. Kollagenmoleküle bilden Spiralen, linksgängig. Drei dieser Spiralen verdrehen miteinander zu einer Helix, rechtsgängig. Mehrere Helices vernetzen zu einer Faser, 0,004 bis 0,012 Millimeter dick. Die kollagenen Fasern wiederum lagern sich dann zusammen zu größeren Einheiten, den eigentlichen Faszien.


Fasern und Grundsubstanz sind natürlich voneinander untrennbar; sie bilden auch das Bindegewebe zusammen mit wenigen spezialisierten Bindegewebszellen. Jedoch Faszien im eigentlichen Sinne sind kollagene Eiweißfasern.


Interessant ist auch, dass Entzündungsprozesse vielfach im Bindegewebe ablaufen, dann Faszien miteinander verkleben können und anders herum Faszienbewegungen den Stoffwechsel im Bindegewebe beeinflussen.


Faszien unterscheiden sich bezüglich der Dichte und Ausrichtung ihrer kollagenen Fasern, je nach benötigter Eigenschaft. Beispielsweise dicht und parallelfasrig als Sehne oder als Band, scherengitterartig als Muskelhülle und zwischen den einzelnen Muskelbäuchen oder auch locker dreidimensional netzartig zwischen einzelnen Strukturen. Eine einzelne Kollagenfaser ist recht unelastisch, durch eine scherengitterartige Anordnung zum Beispiel wird die entstehende Faszie jedoch elastisch.


An dieser Stelle wird es dann auch wieder komplizierter. Entscheidend ist, dass schlussendlich alles von kollagenen Faseren umhüllt ist, alle Fasern miteinander zusammenhängen und ein dreidimensionales Spannungsnetzwerk entsteht. Würde vom menschlichen Körper alles entfernt werden, außer seine kollagenen Fasern, so entstünde eine Blaupause, eine Vorlage für den gesamten Körper. Alle Teile des Körpers wären in ihrer äußeren Form und inneren Strukturierung erkennbar.

Das Tensegrity-Modell


Tensegrity ist ein Kunstwort aus dem Englischen aus tension für Zugspannung und integrity für Ganzheit, Zusammenhalt. Es bezeichnet eine Erfindung von Richard Buckminster Fuller bzw. Kenneth Snelson, eines dreidimensionalen Objekts aus Stäben und Schnüren (Zugelemente). Stäbe und Schnüre bilden dabei eine stabile Struktur, ohne dass die Stäbe sich gegenseitig berühren. Die Stäbe sind lediglich mit den Schnüren untereinander verbunden. Stäbe und Schnüre für sich alleine genommen fallen in sich zusammen.



Tensegrity-Modell


Abbildung: Ein Tensegrity-Modell



Übertragen auf unseren Körper stellen die Stäbe die Knochen und die Schnüre die Faszien dar. Wobei die Knochen natürlich auch von Faszien umhüllt sind, der Knochenhaut, und die Schnüre auch für Muskeln mit Muskelfaszien stehen. Die Faszien verwalten Zugkräfte und die Knochen Druck- und Biegekräfte.


Aus dem Tensegrity- Modell lässt sich ableiten, dass, wenn sich die Spannung in den Faszien verändert, sich dann auch die Knochenstruktur verändert.

Einschub: Modell. Ein Modell ist ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit, Ziel ist die Reduzierung der Komplexität des Modells gegenüber der Realität. Das Modell darf daher nicht mit der Wirklichkeit gleichgesetzt werden.


Im Falle des Tensegrity-Modells kann die Wechselwirkung von den Faszien mit den Knochen verständlicher dargestellt werden und damit Beobachtungen bei Behandlungen mit der PostFascialTechnik (PFT)® erklärt werden.


In der Realität ist unser Körper eher mit einem Segelboot vergleichbar, da sich die Knochen über die Gelenke sehrwohl berühren. Der Mast des Segelboots entspricht der Wirbelsäule, die Wanten und Stage entsprechen den Faszien.

Verkörperte Gefühle


oder wie seelischer Stress anhand des Tensegrity-Modells in den Faszien und Knochen fixiert werden kann.


Bei Stress spannen sich die Muskeln an, wir ziehen die Schultern hoch, beißen den Kiefer zusammen usw. Das ist kein Problem, wenn der Stress von vorübergehender Natur ist. Bei Dauerstress hat der Körper jedoch ein Problem. Angespannte Muskeln verbrauchen viel Energie, und wir nehmen eine körperliche und emotionale Anspannung wahr.


Muskeln sind von Faszien umhüllt und durchdrungen und bilden so eine sogenannte myofasziale Einheit. Die Faszien des Muskels gehen in die Sehnen über und die Sehnen gehen in die Knochenhaut über, das Periost. So ziehen die Muskeln bei Anspannung an den Knochen und diese wollen sich verdrehen. Bei normalen Bewegungen werden weitere Muskeln aktiviert, die Gegenspieler, sodass die Statik des Körpers aufrecht erhalten werden kann und nur die gewünschte Bewegung erfolgt.


Bei anhaltendem chronischem Stress können sich jedoch Knochen gegeneinander verschieben und verdrehen, insbesondere die Wirbel und die Knochen des Beckens. Begünstigt wird dies dadurch, dass wir gewöhnlich bei Stress mit einem Linksrechtsungleichgewicht in der Muskulatur reagieren, einer weiteren interessanten Beobachtung in der PostFascialTechnik (PFT)®. Das bedeutet, die Muskeln ziehen auf einer Körperseite stärker als auf der anderen Körperseite. Wirbel und auch die Beckenknochen verkanten häufig miteinander; sie blockieren und verlieren dadurch an Beweglichkeit gegeneinander, sodass die veränderte Knochenstruktur fixiert wird. Entscheidend ist jetzt, dass die Muskulatur, die auf den Stress reagiert hat und anspannt, ein Stück weit ihre Spannung nachlassen kann. Sie bleibt jedoch verkürzt bei anhaltendem seelischen Stress. Durch die verschobenen Knochen können sich an anderer Stelle in den Faszien Spannungen aufbauen. An dieser Stelle sei an das Tensegrity-Modell erinnert.


Der Vorteil ist jetzt: Die Muskeln als aktives Element des Körpers verbrauchen weniger Energie und das mit den angespannten Muskeln verbunden unangenehme Gefühl lässt nach. Der Stress ist auf die knöcherne und fasziale Ebene verschoben worden. Knochen sind verschoben und verdreht, die Spannung sitzt in den tieferen Faszien. Je nach Stress bauen sich dabei unterschiedliche Spannungsmuster in den tiefen Faszien auf. Die PostFascialTechnik (PFT)® kennt fünf solcher Grundmuster.

Einschub: Stress. Stress vom lateinischen stringere „anspannen“. Englisch für „Druck, Anspannung“. Stress bezeichnet zum einen durch spezifische innere und äußere Reize oder Belastungen hervorgerufene psychische und körperlicher Reaktionen, die zur Bewältigung dieser Anforderungen befähigen sollen, und zum anderen die dadurch entstehende geistige und körperliche Belastung.

Neben der beschriebenen Stressreaktion in der funktionellen Einheit von Knochen und Faszien treten noch weitere Effekte auf, die körperliche Auswirkungen haben können. Beispielsweise können durch Stresshormone, im Bindegewebe Entzündungen entstehen und dort Faszien miteinander verkleben. Und das Herz-Kreislauf-System steht unter großer Belastung.

Der Weg aus dem Labyrinth


Normalerweise finden wir Therapeuten unzählige Störungen in den Faszien des Körpers vor. Das Tensegrity-Modell zeigt, dass diese Störungen über den ganzen Körper verschoben werden können. Wo fangen wir jetzt an zu behandeln? Erfahrungen mit der PostFascialTechnik (PFT)® zeigen, dass es nicht egal ist, an welcher Stelle mit der Behandlung begonnen wird. Und ist eine Störung gelöst, dann richtet sich das gesamte Fasziensystem neu aus, die Ausgangssituation für das Lösen der nächsten Störung hat sich vollkommen verändert. Die Frage, an welcher Stelle behandeln, stellt sich erneut. Eine erfolgreiche Behandlung mit der PostFascialTechnik (PFT)® gleicht daher einem Weg aus einem Labyrinth heraus. Nacheinander die richtigen Stellen zum Behandeln zu finden ist in der PostFascialTechnik (PFT)® die Herausforderung und wichtiger als die verwendete Technik.


In der Osteopathie werden gerne Ursache-Folge-Ketten verwendet. Ursache-Folge-Ketten sind gut, wenn die Ursache des Problems noch nicht lange zurückliegt. Jedoch der Körper hat im Laufe des Lebens viele Ursache-Folge-Ketten integriert und alles geht dann ineinander über.

Einschub: Ursache-Folge-Ketten. Durch ein Ereignis, zum Beispiel das Umknicken des Fußes im oberen Sprunggelenk kommt es lokal am Körper zu einer Veränderung. Zwangsläufig müssen sich die benachbarten Stellen dann daran anpassen, in diesem Fall zum Beispiel das Kniegelenk, woran sich dann das Hüftgelenk anpassen muss. Möglicherweise setzt sich dies bis zum Kopf hin fort. Der genaue Verlauf einer Ursache-Folge-Kette ist nicht vorhersehbar. Wochen später könnten sich in dem Fall dann Spannungskopfschmerzen entwickeln. Das Behandeln der verspannten Nackenmuskulatur hat dann wenig Erfolg. Vielmehr müssen alle Funktionsstörungen entlang der Kette gelöst werden, damit die Spannungskopfschmerzen dauerhaft verschwinden können.

Die traditionelle chinesische Medizin, z. B. mit ihrer 5-Elemente-Lehre verfolgt einen anderen Ansatz. Die Vergangenheit ist weniger wichtig, wichtig ist das Jetzt. Wo gibt es ein energetisches Ungleichgewicht? Dieses Ungleichgewicht soll durch die Therapie beseitigt werden und der Organismus reguliert sich dann von alleine. Die Ursachen können dabei in Erscheinung treten, falls sie wichtig sind oder auch nicht, falls dies nicht erforderlich ist. In der traditionellen chinesischen Medizin hängt alles miteinander zusammen, wie bei den Faszien. Vermutlich funktioniert der Ansatz der traditionellen chinesischen Medizin deshalb bei den Faszien auch so gut.


Die Frage in der PostFascialTechnik (PFT)® ist: Wo sind die Stellen, die nacheinander aus dem Labyrinth herausführen? Wir nennen diese Stellen in der PostFascialTechnik (PFT)® dann jeweils die aktuelle Priorität.


Die Reihenfolge, in der die einzelnen Störungen im Körper gelöst werden müssen, damit Beschwerden sich lösen können beziehungsweise der gesamte Organismus sich öffnen kann, wird also vom Organismus selbst vorgegeben und ergibt sich erst im Laufe der Behandlung. Diese Reihenfolge hängt einerseits von den vorhandenen Störungen im Organismus ab und andererseits zum Beispiel auch vom Gefühlszustand und der Lebenssituation des Klienten.




Funktionelle Beinlängendifferenz

Einschub: Beinlängenverkürzung. Grundsätzlich kann zwischen einer anatomischen und einer funktionellen Beinlängendifferenz unterschieden werden.


Bei einer anatomischen Beinlängenverkürzung sind die Ober- und/oder Unterschenkel auf einer Körperseite kürzer als auf der anderen Körperseite.


Bei einer funktionellen Beinlängendifferenz sind Ober- und Unterschenkel links und rechts gleich lang. Trotzdem erscheint ein Bein kürzer. Diese scheinbare Verkürzung kann zum Beispiel dadurch entstehen, dass Faszien oder Muskeln die Beckenschaufel auf einer Körperseite nach oben ziehen und dadurch das Becken schief steht. In unserem Fall hier entsteht die scheinbare Verkürzung dadurch, dass sich die drei Beckenknochen gegeneinander verdrehen beziehungsweise verschieben, wodurch ebenfalls ein Beckenschiefstand entsteht.


Eine funktionelle Beinlängenverkürzung kann je nach Lage (Stand, Bauch-, Rückenlage) unterschiedlich in Erscheinung treten, beispielsweise können in Bauchlage die Beine gleich lang aussehen, obwohl sie in Rückenlage unterschiedlich lang aussehen.

Wenn wir in der PostFascialTechnik (PFT)® nach der Priorität behandeln, dann kommt es im Laufe der Behandlung immer wieder zu einer funktionellen Beinlängenverkürzung. Die oben beschriebene Stressreaktion, das Verschieben von chronischem Stress in die funktionelle Einheit von Faszien und Knochen, wird rückgängig gemacht. Faszienspannungen lösen sich und die Knochenstruktur muss sich dem anpassen, die Beckenknochen verdrehen sich gegeneinander, wodurch die Beine unterschiedlich lang aussehen.

Diese beobachtete Beinlängenverkürzung wird als positiv angesehen und kann als Beweis sowohl für das erfolgreiche Lösen von Faszienspannungen als auch für die Richtigkeit des hier vorgestellten Faszienkonzeptes angesehen werden.

Natürlich wird die entstandene Beinlängenverkürzung immer wieder durch die Behandlung der Beckenstruktur ausgeglichen, bevor die Behandlung fortgesetzt wird.

(Erschienen am 27. Dezember 2021 als Aquariana BLOG-Artikel / Newsletter: Ein innovatives Faszienkonzept, Ralf Welti)


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